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"Ride the Lightning"

  • Autorenbild: TinTro
    TinTro
  • vor 6 Tagen
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen

No release from my cryonic state

What is this? I´ve been stricken by fate

Wrapped up thight, cannot move, can´t break free

Hand of doom has a tight grip on me“


Heute Legenden, standen Metallica Mitte der 80er mit der Aufnahme ihres zweiten Albums vor drei Problemen. Das erste bestand darin, zu zeigen, dass sie kein eindimensionales Abziehbild einer 08/15-Trash Metalband sind.

Dieser Anspruch spiegelt sich auf „Ride the Lightning“ nicht nur in kompositorischer Abwechslung und technischer Versiertheit, sondern auch in ihrem verbesserten Songwriting. Letzteres ist allein Bassist Cliff Burton zu verdanken, der sich auf dem Debüt nicht einbringen konnte, weil die Songs schon fertig waren bevor er dazu stieß. Auf dem College belegte er Musiktheoriekurse und lernte alles über melodische Arrangements und Harmonien. Dieser Input beeinflusst das Songschreiben der Band bis heute.

Statt über Partys, Sex und den Teufel wollten sie jetzt über Themen singen, die sie bewegten. Und so erzählen sie düstere und traurige Geschichten von Depression, Angst, Kontrollverlust und Isolation.


(Quelle: www.pinterest.de )


Dunkelheit erstreckt sich auch über die Leinwand, denn Schwarz beansprucht den meisten Platz für sich. Ausgehend von dem durchaus gediegenen Headbanger „For whom the bell tolls“,der an Ernest Hemingways „Wem die Stunde schlägt“, in dem fünf Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg bei einem Luftangriff sterben, angelehnt ist. Das Glockenintro (Lars Ulrich schlägt mit einem Hammer auf einen Amboss plus ein klein wenig Wah Wah-Effekt) erzeugt einen weißen Kreis von dem sich ein schwarzes Dreieck Richtung Boden zieht. Sie werden von einem schwarz-grauen Nebel umwoben, der in jede freie Ritze der Leinwand krabbelt.


"Ride the Lightning", 24. Jul 2018, 40x60cm, Acryl auf Leinwand


Dagegen bringen die Grundfarben die Gesamtkomposition in kraftvollen Tönen zum Leuchten.

Rot zeigt sich mehrfach in einer feurigen Facette. Über den linken Bildrand windet sich eine L-Form, die in einem langen, vertikalen schwarzen Balken liegt. „Fight fire with fire“ eröffnet die Platte mit anheimelnden Akustikgitarren, die in ein rasantes Riff übergehen und zu einem ihrer schnellsten Songs werden. Diese alarmierende Stimmung beschreibt einen aufkeimenden Atomkrieg und endet in Sirenengeheul und einer Explosion.

Blau zeigt sich zwar in verschiedenen Tönen, dafür aber nur im Titel und dem dazugehörigen Lied. Ersterer versucht sich in eisigem Türkis vom unteren Rand zu erheben, wird aber von einer sehr großen, phallischen Form niedergedrückt. Das ist das herausragende „Ride the Lightning“, das in mittlerem Tempo Weiß und Ultramarin den Schaft hinauf abwechselt. Die stetig höher werdenden Akkorde wachsen als kleine, dünne, blaue Antennen heraus. Kirk Hammett entlehnte den Titel zwar aus dem Stephen King-Roman „The Stand“, inhaltlich geht es jedoch um einen Mann, der unschuldig zum Tode verurteilt wurde.

Noch gewaltiger steht „Trapped under ice“ als knallroter Berg am rechten Bildrand mit gewellter linken Seite, gesäumt von weißen Flocken, in dessen Kuppe sich beigefarbene Würmer schlängeln. Zum Teil hat es musikalische Wurzeln in Hammetts alter Band Exodus und handelt von Verzweiflung und Einsamkeit in einer ausweglosen Situation.

In seine Wellen schmiegen sich mehrere kleine Elemente. Von oben fließt ein kurzer, rostbrauner Streifen herunter an den sich ein schwarzes und ein rotes Blatt anschließen (welches von demselben Braunton eingerahmt ist). Sie bilden eine Stütze für einen senkrechten, schwarzen Balken, der wiederum von einem diagonalen, schlanken Balken, in dem dunkles in helles Grau blendet, gekreuzt wird. Die innere Fläche wird von Schwarz ausgefüllt. Zusammengesetzt ergeben sie „Fade to Black“, das erst während der Aufnahmen entstand. Die melancholieschwangere Ballade (die erste der Band) über Verlust und Suizid ist der unkonventionellste Song des Albums. Um emotionale Tiefe zu erreichen, sang James Hetfield hier ausnahmsweise mit klarer Stimme. Eigentlich wollte er sogar John Bush von Armored Saint als Sänger anheuern, weil er mit seiner eigenen gesanglichen Leistung unzufrieden war.

In der Welle darunter wiegt das mit neun Minuten mit Abstand längste Lied „The call of Ktulu“, benannt nach einer Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft von 1928. Als (mittlerweile) obligatorisches Instrumental ist es gleichzeitig der Closer.

Reines Gelb und Orange höre ich auf diesem Album nicht, aber sie mischen sich mit Braun zu einem sandigen Beige und beruhigen zumindest ein wenig das aufgeregte Rot. Beide Farben wechseln sich in rundlichen Flecken ab, doch mit zunehmender Intensität von Burtons hypnotischen Bassspiel formen sie sich zu langgezogenen Quadern. Aus Platzgründen habe ich diese Bewegung auf der Leinwand zweigeteilt.

„Creeping death“ ist die einzige offizielle Single des Albums und eröffnet mit diesem krassen Schlagzeugintro, das mir immer bis zu den Knochen durchdringt. Die Chants und ein Gitarrenriff stammen auch noch aus Hammetts Exodus-Zeit. In demselben Rostbraun bildet es einen schmalen Fuß für den roten Berg und wächst nach links zu einem wabbeligen Quader, der sich um einen roten windet. Der Film „Die 10 Gebote“ mit Charlton Heston gab die Idee zum Text über den Todesengel, der die biblischen Plagen über Ägypten bringt.

Es war das erste Mal, dass sie Flemming Rasmussen mit der Produktion betrauten. Er war damals Inhaber der Sweet Silence Studios in Kopenhagen. Lars Ulrich war begeistert von dessen Zusammenarbeit mit Rainbow und wollte sowieso gerne in Europa aufnehmen.

Da war aber auch noch Problem zwei: Geldmangel. Ihr Label Megaforce Records ließ das Album von seinem europäischen Ableger Music for Nations finanzieren. Während die Band sich Equipment bei ihren Kollegen von Anthrax leihen mussten, da ihnen zu allem Überfluss drei Wochen vor Aufnahmebeginn ein Teil ihres eigenen in Boston gestohlen wurde. Ein Hotel war auch nicht mehr drin, also schlief man im Studio.

Denn Problem drei war Zeitknappheit. Tagsüber war das Studio von einer anderen Band gebucht, deshalb wurde hauptsächlich nachts aufgenommen. Die nächsten Konzerte in Europa waren nämlich schon geplant. Ungefähr einen Monat nachdem „Ride the Lightning“ am 27. Juli 1984 veröffentlicht wurde, standen sie schon mit dem neuen Material auf der Bühne.

Das Cover fiel all dem ebenfalls zum Opfer. Es wurde zwar von Metallica konzipiert, letztendlich überließ man die Gestaltung jedoch einer Agentur. Die Band hasst es und man kann es ihr nicht verdenken, oder?


(Art & Design: Metallica, AD Artists)


Doch mit der Optik hörte das Elend nicht auf. In Frankreich gab es Pressungen in Grün und mit falschen Titeln.

Lange hielt sich das Gerücht Hetfield würde auch den Song „Escape“ nicht mögen, weil er eine radiotaugliche Nummer sei zu der die Plattenfirma sie gezwungen hätte. Dies wurde von der Band selbst zwar entkräftigt, der Song jedoch trotzdem erst 2012 zum ersten Mal live gespielt.

Ich habe ihn parallel zu „Fade to black“ angeordnet, da er sich ebenfalls aus mehreren Teilen zusammensetzt und dieselben Grautöne in einer senkrechten Unform und das Rostbraun in einem Kasten aufgreift. Sie umgeben ein schwarzes Dreieck, dass ich als Verlängerung an „For whom the bell tolls“ setzen konnte um eine Verbindung herzustellen. Am Besten gefällt mir jedoch die violette Halbellipse, deren kleiner Ausläufer über den blauen Phallus streicht.

Ja, die Lyrics sind einfacher gehalten, es geht um einen Mann auf der Flucht. Und ja, das Lied lebt mehr von seiner eingängigen Melodie. Aber ich schöpfe Kraft und Bestätigung daraus und da ich dieser Tage ziemlich müde und ausgelaugt bin, kann ich eine ordentliche Portion „Escape“ jetzt gut gebrauchen.



Mein Farbenhören visualisiert Musik meistens in weichen, rundlichen Formen und langen, dünnen oder kurzen, breiten Balken. Was es mir ermöglicht, die in diesem Fall neun Bildobjekte aneinanderzulegen oder übereinanderzustapeln um eine Blickführung zu kreieren. Ich mag es, dass es kaum harte Übergänge in meinen Arbeiten gibt. Es macht viel mehr Spaß, wenn die Farben sich im gemeinsamen Spiel verlieren können – ganz genauso so wie eine Band.

Die roten Anteile habe ich über die Bildfläche verteilt, aber mit dem Schwerpunkt auf der rechten Seite, da ich die kalten Farben in der linken Hälfte zur Bildmitte hin gebündelt habe. Weiß bewegt den Blick von der oberen rechten Ecke nach links in die untere Bildhälfte gegenläufig zu der Bewegung von Schwarz.

Da „Trapped under ice“ und „Ride the Lightning“ eine unerwartete Fluffigkeit mitbringen, nutzte ich die konkreten geometrischen Figuren (von denen hier ungewohnt viele zu hören sind) zum Ausgleich. Das Gebilde aus dem Kreis und den Dreiecken spiegelt die Bewegung des Phallus und die Vierecke habe ich über den gesamten Bildrand angeordnet.

Die ersten drei Metallica-Alben gelten heute als Klassiker des Trash Metal. Aufgeladen mit Fanlieblingen und einigen der besten Songs des Genres wie „Fade to black“, „Seek and destroy“ oder „Master of puppets“.

Steve Huey vom Onlinemagazin „AllMusic“ formulierte einmal so treffend: „Wenn „Kill ém all“ das Manifest war, dann war „Ride the Lightning“ die Rebellion.“

Manchem Szenegänger wurden Metallica in diesem Moment zwar zu kommerziell, aber bis heute werden Metalbands von ihrem damaligen Ausbrechen aus den Genrekonventionen und ihrem Mut zu symphonischen Kompositionen beeinflusst. „Ride the Lightning“ besitzt noch die Rohheit seines Vorgängers, ist dabei aber deutlich langsamer und gibt gleichzeitig einen Ausblick darauf welche musikalische Reife von seinem Nachfolger zu erwarten ist.


Eine schöne Restwoche!



Eure TinTro!







Zitat aus "Trapped under ice"





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